Hansjörg Germann, mit Ihrem Gemeinderatskollegen Marcel Tanner duellieren Sie sich um das Gemeindepräsidium. Mal ganz ehrlich: Was können Sie besser als Ihr Gegner?
Germann: Ob ich etwas besser kann, weiss ich nicht. Aber ich weiss, was ich als Gemeindepräsident einbringen kann. Ich hatte in den letzten vier Jahren einen weitreichenden Einblick in zahlreiche Dossiers als Leiter Planen und Bauen. Und ich habe umfassende Finanzkenntnisse aufgrund meines Berufs als Banker.
Sie weichen aus. Die Frage war ja, in welchen Bereichen sie dem Wähler mehr bieten können als Marcel Tanner.
Germann: Ich denke tatsächlich, es ist die breiter gefächerte Kenntnis von diversen Dossiers. Als Finanzvorstand ist Marcel Tanner in der Tendenz in den Finanzen verfrachtet. Die übrigen Gemeinderäte haben sicherlich breitere Dossierkenntnisse als er.
Marcel Tanner, was haben Sie, was Hansjörg Germann nicht hat?
Tanner: Ich bin überzeugt, dass ich die bessere Wahl bin. Denn ich bringe politische Erfahrung von über einem Jahrzehnt in dieses Amt. Angefangen als Vizepräsident und danach Präsident der FDP und zuletzt als Finanzvorstand. Zudem hatte ich als stellvertretender Gemeindepräsident bereits Einblick ins Präsidiale und konnte den aktuellen Gemeindepräsidenten schon mehrfach vertreten. Ich habe somit einen guten Überblick über das ganze Spektrum der Gemeinde. Zudem bin ich Bauunternehmer, trage dort viel Verantwortung und muss jeden Tag meine Mitarbeiter führen.
Hansjörg Germann, im Dorf wird immer wieder gemunkelt, Sie seien in den letzten vier Jahren ein sehr strenger Planungs- und Bauvorstand gewesen.
Nein. Ich war nicht streng, sondern konsequent.
Aber mit dieser, wie Sie es nennen, «Konsequenz» schafft man sich ja nicht nur Freunde. Würden Sie als Gemeindepräsident in einem ähnlich rigorosen Stil führen?
Germann: Als Gemeindepräsident muss ich ja auch nicht von allen geliebt werden. In diesem Amt hätte ich eine grosse Verantwortung, und ich müsste mich darum kümmern, wie sich die Gemeinde weiterentwickeln kann. Und da bin ich in der Sache tatsächlich sehr streng. Aber wie gesagt: Es gilt immer, das Emotionale und das Sachliche zu trennen. Im Umgang bin ich sicherlich kollegial, aber in der Sache eben sehr fordernd und hartnäckig. Und ich lasse mich auch nicht mit sekundärer Qualität abspeisen, sondern ich erwarte von meinen Mitarbeitern eine Topleistung.
Marcel Tanner (FDP) ist seit acht Jahren als Finanzvorstand im Richterswiler Gemeinderat aktiv und amtete auch bereits als Vizepräsident der Gemeinde. Der 40-Jährige ist in Richterswil aufgewachsen, dreifacher Familienvater und Inhaber einer Bau- und Planungsfirma in Richterswil.
Hansjörg Germann (CVP) wurde vor vier Jahren in der Richterswiler Gemeinderat gewählt. Dort steht er aktuell dem Ressort Planen und Bauen vor. Der 53-Jährige ist Vater von vier Kindern, lebt seit 17 Jahren in der Gemeinde und arbeitet in Horgen als Firmenkundenberater bei einer Bank.
Marcel Tanner, wenn Sie Gemeindepräsident würden, mit welchem Führungsstil müssten Ihre Mitarbeiter rechnen?
Tanner: Ich bin freundlich, aber sicher auch bestimmt. Wenn ich etwas verlange, dann erwarte ich, dass meine Mitarbeiter kooperieren. Wenn etwas nicht klappt, kann es schon sein, dass ich dann streng werde. Und ich kann auch mal auf den Tisch hauen. Aber wenn alles rundläuft, bleibe ich meist locker.
Sie hatten es als Finanzvorstand nicht immer leicht. Ich erinnere mich an das von der Gemeindeversammlung abgewiesene Budget vor zwei Jahren. Was würden Sie heute anders oder besser machen?
Tanner: Es gab damals im ganzen Bezirk eine grosse Verunsicherung aufgrund der pessimistischen wirtschaftlichen Prognosen. Im Nachhinein betrachtet würde ich mich nicht mehr so leicht verunsichern lassen. Wir haben damals im Gemeinderat überreagiert, als wir bei der Gemeindeversammlung die Steuern um neun Prozentpunkte erhöhen wollten.
Germann: Dafür war die Kirche wieder einmal voll.
Tanner: Das stimmt. Aber sollten künftig ähnlich schlechte Prognosen auf uns zukommen, wüsste ich, wie ich als Gemeindepräsident darauf reagieren würde.
In der Retrospektive halten viele Gemeindepräsidenten immer wieder fest, dass sie zu Beginn den Aufwand für dieses Amt komplett unterschätzt haben. Woher nehmen Sie die Zeit?
Germann: Ich arbeite bei einer Bank, die mein politisches Engagement unterstützt. Ich könnte mein Pensum jederzeit anpassen. Da ich keine Familie habe, könnte ich vieles auch in meiner Freizeit erledigen. Ich schätze trotzdem, dass rund 20 bis 40 Prozent des Pensums auf die Bürozeiten fallen würden.
Tanner: Aufgrund meiner politischen Erfahrung und im Hinblick auf das Gemeindepräsidium habe ich mich im Geschäft bereits entsprechend organisiert. Ab dem 1. Juli wäre ich parat.
Hansjörg Germann, welche relevanten Themen würden in Vergessenheit geraten, wenn Marcel Tanner zum Gemeindepräsidenten gewählt würde?
Germann: Ich habe ein wenig die Befürchtung, dass wir uns dann sehr schwergewichtig vor allem um die Finanzen kümmern würden. So etwas halte ich für problematisch. Wäre Apple damals von der Finanzabteilung geführt worden, hätten wir bis heute noch kein iPhone. Wir müssen auch andere Gründe schaffen, warum die Menschen hierherziehen wollen – und da sind die Steuern eben nur ein kleiner Teil. Wir sollten zum Beispiel auch unser aktives Vereinsleben hervorheben. So kommen die Steuerzahler dann automatisch.
Stimmt diese Befürchtung, Sie würden als Gemeindepräsident weiterhin auf die Finanzen fokussieren, Marcel Tanner?
Tanner: Hansjörg Germann hat schon einen anderen Fokus als ich, wenn es um den Steuerfuss geht. Denn ich bin immer noch der Ansicht, dass wir konkurrenzfähig bleiben müssen mit unseren Nachbargemeinden. Darum sollten wir auch vom Steuerfuss her attraktiv bleiben – oder sogar noch attraktiver werden. Wir brauchen gute Steuerzahler, und unsere Steuerkraft könnte noch ein wenig zulegen.
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Ein Defizit von Richterswil ist die fehlende Dreifachturnhalle, die die Sportvereine fordern. Welche weiteren Schwachstellen hat die Gemeinde?
Tanner: Die Initiative «Halle für alle» kommt tatsächlich nicht ohne Grund. Wir sind die einzige Gemeinde im Kanton in dieser Grösse, die noch keine Dreifachturnhalle hat. Die Gemeinde ist zwar immer gewachsen, aber bezüglich der Sportthemen hat sich nichts weiterentwickelt. Dementsprechend läuft jeder Sportverein an seinen Kapazitätsgrenzen. In diesem Bereich muss unbedingt etwas passieren.
Germann: Ich denke nicht, dass wir in der Gemeinde Schwachstellen haben. Wir haben vielleicht noch ein gewisses Entwicklungspotenzial. Aber wir sind eine tolle Gemeinde, in die die Menschen gerne hinziehen. Gut, vielleicht hätten wir im Bereich Infrastruktur tatsächlich noch ein wenig Aufholbedarf.
Aufholbedarf? Das klingt nach der seichten Untertreibung eines Politikers. Der fehlende Platz brennt den Vereinen seit Jahren unter den Nägeln. Das Gesak-Projekt scheint versandet. Es muss dringend etwas passieren. Sind Sie jemand, der die Dinge gerne schönredet?
Germann: Ich sehe die Herausforderungen schon auch. Aber man muss auch einmal die Relationen sehen. Wir haben eine hervorragende Ausgangslage – auch was die Finanzen anbelangt. Ich lebte zwei Jahre im Kanton Bern. Da ist die Richterswiler Steuerbelastung ein Klacks im Vergleich. Ich finde einfach, wir sehen oft nicht, wie gut es uns hier eigentlich geht. Der Stand unserer Infrastruktur ist gut. Und sollten sich alle Pläne mit der Dreifachturnhalle realisieren lassen, können wir uns sogar auf ein sehr gutes Niveau anheben.
Das ist ja alles schön und gut. Aber Richterswil hat sich auf der Planungsebene in der Vergangenheit ein paar grobe Schnitzer geleistet. Nehmen wir beispielsweise die nicht mehr enden wollende Diskussion um das Wohn- und Pflegeheim an der Gartenstrasse. Wie würden Sie als Gemeindepräsident künftig ein solches Debakel verhindern?
Germann: Ich würde die Grundlagenarbeit intensivieren. Wenn eine solche Vorlage in den Gemeinderat kommt, müssen alle Themen um die Vorlage herum aufgearbeitet werden. Viele Signale wurden damals vom Gemeinderat nicht erkannt – so etwas darf nicht mehr passieren. Bei einer Ausgangslage, in der wir unsicher sind, würde ich ein Gutachten eines Ortsplaners einholen und würde dieses dann auch umsetzen. Bei der Planung der Erweiterung der Schulanlage Töss beispielsweise hat das vorbildlich geklappt. Da gab es exakte Berechnungen, und alle Argumente der Gegner konnten wir sauber widerlegen – eben weil Grundlagenarbeit stattgefunden hat.
Tanner:Ich sehe das genau gleich. Beim Gartenstrasse-Projekt wurde eben diese Grundlagenarbeit zu wenig gründlich gemacht. Wir haben es aber letzten Endes mit dem Verkauf an eine private Investorin doch noch gut über die Bühne gebracht. Denn die Bevölkerung bekommt nun trotzdem an der gleichen Stelle ein Alters- und Pflegeheim. Damit sind wir eigentlich der allerersten Vorlage treu geblieben. Nur das Gebäude gehört nicht mehr uns. Mit der heutigen Betreiberin haben wir ein sehr gutes Einvernehmen.
Vor eineinhalb Jahren scheiterte die geplante Umnutzung der Remise zu einem Kulturzentrum an der Urne. Der alte Lokschuppen an bester Lage am See direkt neben der Badi liegt im Moment einfach brach. Würden Sie als Gemeindepräsident ein weiteres Remise-Projekt vorantreiben?
Germann: Es ist schon so. Dieses Objekt nutzen wir im Moment auf unmögliche Art und Weise. Einfach als Lagerraum. Das ist kein Zustand für einen längeren Zeitraum. Wir werden dieses Thema bestimmt wieder aufnehmen müssen. Es gibt Signale, dass sich gewisse Kreise aus der Bevölkerung bereits Gedanken machen. Aber für mich ist klar, dass die letzte Vorlage zur Remise für 4,1 Mio Franken einfach zu teuer war.
Tanner: Einfach so können wir die Remise an dieser tollen Lage tatsächlich nicht belassen. Aber wie gesagt gibt es in der Bevölkerung bereits Überlegungen zu einer weiteren Nutzung. Von daher werden wir beide kaum um dieses Thema herumkommen. Nur um einen Rasenmäher zu versorgen, ist die Remise sicherlich an der falschen Lage.
Aber ist die Remise für Sie eine Herzensangelegenheit?
Tanner:Für mich ist die Remise nicht prioritär zu behandeln. Wir haben andere Themen in der Gemeinde, die relevanter sind. Wie die Erweiterung des Schulhauses Töss. Auch eine Dreifachturnhalle würde der Gesamtbevölkerung mehr bringen als die Remise. Und wir müssen das Alterszentrum im Wisli entwickeln. Das sind alles Pflichtaufgaben, die wir im Gemeinderat vorziehen müssen.
Germann: Die Remise könnte vielleicht einmal eine Herzensangelegenheit werden. Eines ist klar: Die Lage ist phänomenal. Aber es hängt für mich von der künftigen Nutzung ab. Wenn daraus ein simples Restaurant entstehen würde, wäre es für mich sicherlich keine Herzensangelegenheit mehr. Es braucht unbedingt ein paar pfiffige Ideen.