Produktion von Schwefelsäure prägt Firmengeschichte

Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erforderte das Bedienen des Pyritofens anstrengende körperliche Arbeit. Bild: Uetiker Museum.

Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erforderte das Bedienen des Pyritofens anstrengende körperliche Arbeit. Bild: Uetiker Museum.

Die im 19. Jahrhundert rund um den Zürichsee ansässige Textilindustrie benötigte für das Bleichen und Färben Schwefelsäure als Hilfsstoff. Es war daher naheliegend, dass in der näheren Umgebung mehrere Schwefelsäurefabriken entstanden. Die Gebrüder Schnorf errichteten 1818 in der Risi Uetikon eine kleine Säureproduktion. Die Produktion von Schwefelsäure sollte sich wie ein roter Faden durch die 200-jährige Firmengeschichte ziehen. In den ersten Jahrzehnten setzten die Produzenten sizilianischen Schwefel vulkanischen Ursprungs für die Produktion ein. Die Erzeugung von Säure lag bei lediglich 20 Tonnen im Jahr. Die Produktpreise waren hoch, da die Nachfrage nach Schwefelsäure das Angebot bei weitem übertraf. Das erlaubte der jungen Firma, die Produktion auszubauen.

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Rohstoff Schwefel nach und nach durch das billigere Mineral Pyrit (Schwefelkies oder Katzengold) abgelöst und die Produktionsmenge schrittweise erhöht. 1865 stieg die produzierte Menge auf 1000 Tonnen an. Die Chemische Fabrik der Gebrüder Schnorf übernahm die Marktführerschaft in der Schweiz, die Preise sanken dank effizienter Produktionsweise. In der Folge gaben die meisten inländischen Konkurrenten ihre Säurefabrikation auf.

Nach 185 Jahren eingestellt

Nach dem Errichten einer modernen Schwefelsäureanlage auf dem neu erschlossenen Industrieareal im aargauischen Full-Reuenthal erreichte die Schwefelsäureproduktion kurz nach dem Zweiten Weltkrieg mit 100 000 Jahrestonnen einen Höchststand. In den folgenden Jahrzehnten verlor die Schwefelsäureproduktion allmählich an Bedeutung, sie wurde 1985 in Uetikon und 2002 nach 185 Jahren in Full eingestellt.

Mit Schwefelsäure liessen sich aus unlöslichen Mineralstoffen lösliche Metallsalze herstellen, die in der Landwirtschaft (Kupfersulfat) und der sich stetig entwickelnden Textilindustrie verwendet wurden (Eisensulfat, Aluminiumsulfat). Die Metallsalze machten in der Mitte des 19. Jahrhunderts etwa einen Viertel des Gesamtumsatzes der Chemischen Fabrik aus.

Die aus der Schwefelsäure hergestellte Salzsäure und Salpetersäure wurden in der rasch wachsenden chemischen Industrie benötigt. Salpetersäure war ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Sprengstoffen, die beim Bau des Gotthardtunnels zum Einsatz kamen.

Herstellung von Dünger

Ein weiteres Standbein der Firma wurde die Produktion von Dünger. Auch dieses Geschäftsfeld basierte auf der Schwefelsäure. Natürliche Phosphate, aus entleimten Knochen oder aus Lagerstätten gewonnen, waren praktisch in Wasser unlöslich und daher für die Pflanzen nur sehr beschränkt verfügbar. Mit Hilfe von Schwefelsäure konnten aus diesen Rohphosphaten lösliche und damit pflanzenverfügbare Nährstoffe hergestellt werden. Die Chemische Fabrik begann 1881 mit der Herstellung von Mineraldüngern und baute diese Produktion schrittweise aus, wobei eine ganze Palette von Düngern mit den Nährstoffen Stickstoff, Phosphor und Kalium, sowie weiteren Spurenelementen hergestellt wurden. Sie erreichte 1991 ein Maximum von 60‘000 Tonnen und bediente den Schweizer Markt bis zum Schliessungsjahr 2017.

Da sowohl Schwefelsäure als auch Rohphosphat zur Verfügung standen, war es naheliegend, Phosphorsäure und weitere Phosphatsalze herzustellen. Natriumphosphat war ein unabdingbares Produkt in der Waschmittelindustrie, da es durch die Enthärtung des Wassers zu einem guten Waschresultat beitrug.

Unerwünschte Nebeneffekte

Im Laufe der Zeit wurden dadurch allerdings die Gewässer zu stark mit Phosphor belastet und eine unerwünschte Überdüngung setzte ein. Die Chemische Fabrik Uetikon entwickelte in der Folge sogenannte Fällmittel für die Phosphate. Die Abwasserreinigung mit Eisensalzen wurde 1959 als Weltpremiere der dritten Reinigungsstufe in der Kläranlage Uster getestet und eingeführt. Durch diesen Prozess konnten die Phosphate in einen schwer löslichen Stoff überführt und mechanisch aus dem Wasser entfernt werden. Aus diesen Anfängen entwickelte sich die spätere Abteilung Wassertechnik.

Die Chemische Fabrik, die bereits einen Fuss in der Waschmittelindustrie hatte, begann 1931 mit der Produktion von Natronwasserglas, einem wichtigen Bestandteil von vielen Reinigungsmitteln. Natriumsulfat, ein Ausgangsstoff für die Herstellung von Wasserglas, war als Begleitstoff der Säureproduktion bereits im Haus und erleichterte den Einstieg in das neue Tätigkeitsfeld. Aus diesen ersten Anfängen entstand im Laufe der Jahrzehnte ein weiterer neuer Geschäftszweig, die Silicatchemie.

Ab 1939 produzierte die Fabrik Silicagel, das während des Zweiten Weltkriegs als Filtermaterial für die Gasmasken der Schweizer Armee zum Einsatz kam. Nach Kriegsende wurde das bisher hochwertigste Produkt als Trocknungsmittel für Druckluft aus Kompressoren und zum Schutz feuchtigkeitsempfindlicher Güter verkauft.

Umbau ab den 1960er Jahren

Ab Ende der 60er Jahre begann ein eigentlicher Umbau der Chemischen Fabrik. Die Silicatchemie mit den höherwertigen Produkten wurde systematisch gefördert, während die Grundchemie mit Schwefelsäure als deren Hauptprodukt nach und nach an Bedeutung verlor.

1973 kamen die ersten Zeolithe – ein hochporöses, kristallines Natriumaluminiumsilicat – auf den Markt. Interessanterweise konnte das Unternehmen auch für diese neue Produktelinie auf bereits im Hause vorhandene Rohstoffe zurückgreifen: Wasserglas, Schwefelsäure und Aluminiumhydrat. Diese Produktelinie wurde in den Folgejahren konsequent gefördert. Die bescheidene Produktionsmenge von 200 Tonnen im ersten Jahr stieg noch vor der Jahrtausendwende auf über 10 000 Jahrestonnen. Die Silicatchemie wurde so wichtig für die Chemische Fabrik, dass sie aus den anderen Geschäftsbereichen ausgegliedert und ab 2002 unter dem Firmennamen Zeochem AG geführt wurde.

Mit der Schliessung des Chemiewerkplatzes Uetikon kam die Produktion der Silicate in der Schweiz zu einem Ende, sie wird aber an den Produktionsorten in den USA, in China und in Bosnien-Herzegowina weitergeführt. (Armin Pfenninger*)

* Der Autor ist promovierter Chemiker und hat während 36 Jahren für die Chemische Fabrik gearbeitet. Er ist pensioniert und amtet als Präsident des Vereins Uetiker Museum. Bis Ende Juni ist dort die Ausstellung «200 Jahre Chemiewerkplatz Uetikon» zu sehen (jeweils Sonntag 14 bis 17 Uhr).

In riesigen Adsorptionstürmen wird Erdgas mit Zeolithen aus Uetikon getrocknet und entschwefelt. Bild: Uetiker Museum.

In riesigen Adsorptionstürmen wird Erdgas mit Zeolithen aus Uetikon getrocknet und entschwefelt. Bild: Uetiker Museum.

© Tamedia